Rolf Majcen
Rolf Majcen

Vom Rodelfieber gepackt...

Vom Rodelfieber gepackt…

Rolf Majcen

Dezember 2019

 

Ich bin Kapitalmarktjurist in Wien. Und Naturliebhaber, Bergsportler und Treppenläufer. Und: Ich habe 2018 das Rodeln als neues Hobby in unerwarteter Dimension entdeckt. Ich wollte meiner chinesischen Lebensgefährtin Jin Lan die Schönheit der Alpen im Winter zeigen. Sie kann nicht Skifahren. Alternativen? Ja, warum nicht rodeln! Aus der spontanen Idee wurde eine Alpentour, die uns zu 18 der schönsten Rodelbahnen in den Alpen geführt hat. Jin Lan war begeistert. Sexten, Sterzing, Zermatt, Grindelwald, Bergün, Wildkogel-Arena/Neukirchen–Bramberg, und die Fideriser Heuberge in Graubünden waren nur einige der Gegenden, in denen wir mit der Rodel ausgesprochen glückliche Zeit verbrachten. Insgesamt flitzten wir in wenigen Tagen 150 Kilometer bergab, schneestaubend den schönsten Alpentälern entgegen, zwischen Dolomiten, Ortler, Eiger-Nordwand und Matterhorn. Das waren alles aufregende Abfahrten in überwältigender Landschaft und das Miteinander aus Fahrtwind, Fliehkraft, Konzentration, Adrenalin, Spaß und verwirbeltem Schnee zog uns vollkommen in den Bann. Die 14 km lange Rodelbahn in Bramberg im Pinzgau ist die längste in Europa, die man mit der Seilbahn bequem erreichen kann, dort fährt man 30 Minuten lang bergab, glückstrahlend und zu tiefst berauscht die schnelle Fortbewegung mit allen Sinnen erlebend! Die „Big Pintenfritz“ in Grindelwald ist zwar noch um einen Kilometer länger, doch dort muss nach der langen Seilbahnauffahrt noch gut 2 Stunden auf den Gipfel des Faulhorns steigen. Und in Zermatt fährt man neben dem Matterhorn!

 

2019 hat mich die Rodel-Leidenschaft zu 26 neuen Gebieten im Alpenraum gebracht. Begonnen hat das Abenteuer an einem Freitag im Februar in klarer Winternacht unter funkelnden Sternen auf der 7 km langen Gerlosstein-Rodelbahn in Hainzenberg. Das magisch beleuchtete Zillertal aus hoch oben gelegener, tief verschneiter Berglandschaft betrachten zu können und der Fahrtwind in der sonst so stillen Nacht werden unvergesslich bleiben! Tags darauf war ich in den Bayrischen Voralpen. Die Wallbergbahn brachte mich frühmorgens von Rottach-Egern auf den Wallberg. Weder das Wetter noch die Szenerie mit dem dunkelblauen Tegernsee hätten schöner sein können. Ich schaute und staunte, dann ging es auf zwei Kufen sportlich anspruchsvoll auf feinst präpariertem Schnee zur Talstation zurück! Ich war wirklich hingerissen von der Bahn, die zu den längsten von Deutschland gehört! Nach dem Abstecher über die Staatsgrenze kam ich in die Silberregion Karwendel, nach Pillberg bei Schwaz, um die Kellerjoch-Naturrodelbahn kennenzulernen. Ich startete weit oben, beim Hecherhaus, und erfreute mich der nordseitig gelegenen, aufregenden Bahn. Tief unter mir lag das Inntal und nördlich davon präsentierte sich das Karwendel mit seinen felsigen Bergflanken, ausgedehnten Wäldern und sanften Almwiesen in wilder, erhabener Schönheit. Zu Mittag war ich in Neustift im Stubaital, stieg bei der Elferbahn-Bergstation aus und war gleich verliebt von der wuchtigen Kalkbastion des Serleskammes und den Dreitausendern, die den Stubaier Gletscher umgeben! Genießen. Erst dann auf die Rodel setzen. Antauchen. Fahrt aufnehmen. Und über die schnellen Kurven der 8 Kilometer langen Rodelbahn durch idyllischen Tiroler Bergwald bergab düsen. Genial! Nach der beherzten Schlittenfahrt fuhr ich ins Pitztal, zweigte in Jerzens ab und konnte am späten Nachmittag im Skigebiet Hochzeiger langen, aussichtsreichen Rodelspaß durch schönsten Zirbenwald genießen. Kein Wunder, werden doch der Zirbe, die liebevoll „Königin der Alpen“ genannt wird, positive Effekte auf das menschliche Wohlbefinden und harmonisierende Eigenschaften nachgesagt.  Und auch diese Rodelbahn ist mit dem Naturrodelbahn-Gütesiegel des Landes Tirol ausgezeichnet! Abends bog ich auf meiner Reise in die Ostschweiz noch ins Montafon ab, um in St. Gallenkirch Bekanntschaft mit Vorarlbergs längster beleuchteter Nachtrodelbahn zu schließen. Und es war Liebe auf den ersten Blick, weil die 6 km lange Bahn perfekt präpariert und die Nacht so sternenklar, fast romantisch war!

 

Trotz Minus 6 Grad schlief ich wieder im Auto. In Jakobsbad, bei der Kronbergbahn im Schweizer Kanton Appenzell, kochte ich mir im Auto zum Frühstück am Gaskocher Spiegeleier. Und schon kurz nach acht Uhr stand ich am Kronberg Gipfel und ließ die atemberaubende Kulisse des Alpsteinmassives mit der mächtigen, kühn verschneiten Säntis-Westwand minutenlang auf mich wirken. Ja, der Kronberg ist berühmt für seine faszinierende Aussicht! Dann stürzte ich mich mit der Rodel inmitten der bezaubernden Winterlandschaft jauchzend ins Vergnügen und sauste diese Schlittelbahn, die zu den längsten in Graubünden zählt, hinunter. Ja, mit einem „L“ denn in der Schweiz sagt man „schlitteln“. Nach dem vergnüglichen Sonntagmorgen fuhr ich nach Chur und freute mich, dass die Rodel-Alpentour so optimal begonnen hatte. Das Faszinierende am Rodeln ist die Naturverbundenheit, wenn du in traumhafter hochalpiner Landschaft losfährst und dein Körper kilometerlang auf dem Schlitten die Feinarbeit des Bremsens, Beschleunigens und Steuerns leistet; und all deine Sinne von einer Vielzahl intensiver Reize und vom Glücksgefühl berauscht sind. Dann lebst du für einige Zeit auf einer höheren Ebene der Existenz, auf einer viel wilderen, leuchtenderen und spürst so intensiv, welche Energie und Lebensfreude in dir vorhanden ist!

 

In Chur schwebte ich mit der Gondel direkt aus der Altstadt auf den Brambruesch und rodelte den langen Schlittelweg zur Mittelstation Känzeli hinunter. Er war großartig, mit seinen rasanten Abfahrten, schwungvollen Kurven, gemütlichen Zwischenstrecken und der eindrucksvollen Aussicht in die herrliche Bündner Bergwelt und ins Churer Rheintal. Das knapp 17 Auto-Minuten entfernte Rhäzüns war mein nächstes Ziel. Aber nur, um von dort mit der Luftseilbahn spektakulär ins kleine Bergdorf Feldis zu gelangen, wo es mehrere ungemein reizvolle Rodelbahnen am Hausberg Mutta gibt! Ich war von den dortigen Schlittelwegen begeistert, ja tief bewegt, und die harmonische Landschaft trug viel dazu bei! Am späten Nachmittag hielt ich noch in Lenzerheide, gondelte zuerst auf das 2850 Meter hohe Rothorn hinauf: Prachtpanorama, gewaltig, titanisch! Dann ging es am Schlitten von der Mittelstation Scharmois aufregend schnell zurück und mit dem Auto weiter in die Dolomiten zum Skifahren.

 

Drei Wochen später setzte ich die Rodeltour fort, diesmal nicht allein, sondern in Begleitung von Tochter Livia! Die 14-Jährige hatte so etwas noch nie gemacht. Und sie war begeistert! Genau wie ich! Wir starteten am Freitagnachmittag im Ennstal bei der langen Galsterberg-Rodelbahn und verlegten gleich danach nach Obertauern zur Gnadenalm, wo wir per Skidoo – so aufregend - zum Start der Rodelbahn chauffiert wurden. Anschließend hielten wir noch in Radstadt, fuhren mit der Königslehenbahn bei einbrechender Dunkelheit hinauf zum Beginn der Königslehen-Rodelbahn und es war ein zauberhaftes Erlebnis dort im Schein der vielen Lichter, kilometerlang gemeinsam mit der Tochter ins Tal zu rodeln! Tags darauf zeigte ich Livia Bramberg: 14 Kilometer Abfahrt, so aussichtsreich, so phänomenal! Wegen der optimalen Verhältnisse gönnten wir uns diese Mega-Gaudi noch ein zweites Mal, bevor wir nach Stainach am Brenner fuhren, um uns dort auf der langen Bergeralm-Rodelstrecke zu vergnügen. Zum Schluß rast man mit dem Schlitten unter einer mächtigen Autobahnbrücke hindurch und sofort erinnerte ich mich ans Schlitteln in Bergün, als Jin Lan und ich unter den berühmten Viadukten der Rhätischen Eisenbahn - UNESCO Weltkulturerbe - hindurchgeflitzt waren. Am späten Nachmittag hielten wir noch südlich des Brenners, in Ladurns, im wunderschönen Südtiroler Pflerschtal, und hatten auf der langen, abwechslungsreichen Rodelbahn nicht nur richtig viel Spaß sondern auch eine beeindruckende Aussicht auf den mächtigen Felsstock des Tribulaun! Sonntag, Heimreisetag, doch zuerst rodelten wir noch im Südtiroler Jaufental. Und oberhalb von Meransen, am Gitschberg in den südlichen Zillertaler Alpen, mit herrlichem Fernblick in die Dolomiten! Und hielten noch in Alta Badia zum Skifahren.

 

Den letzten Teil meiner Rodel-Alpentour 2019 erlebte ich Mitte März gemeinsam mit Jin Lan, die gerade aus China zurückgekommen war. Was kam an jenem märchenhaften Wochenende noch alles an rodeligen Gustostückerln dazu? Die spektakuläre Abfahrt vom Piz Sorega nach Sankt Kassian in den Dolomiten, zuerst mit Marmolada-Blick, später mit Heiligkreuzkofel-Felswandpanorama. Dann: Die wunderschöne Rodelstrecke vom Raschötz nach Gröden, eingebettet in den Naturpark Puez-Geisler und überragt von der Felsbastion der Langkofelgruppe. Zu Mittag: Die aussichtsreiche Bahn im Skigebiet Meran 2000. Und um 16 Uhr: Das Rodelabenteuer am Erlebnisberg Watles im Vintschgau, mit so bemerkenswertem Ortler-Panorama und unglaublichem Tiefblick in den Vinschgau! Und am Sontag? Herrliche Bergwelt und abwechslungsreiche, lange Tiroler Rodelbahnen in Serfaus und See im Patznauntal und das Grande Finale am Astberg in Going. Eine großartige Rodel-Alpentour 2019 mit 26 neuen Touren und 160 km Abfahrt ging damit vor der Felskulisse des Wilden Kaiser und Blick auf das Kitzbüheler Horn zu Ende! Wieder wurden unzählige Augenblicke zu einem großartigen Gesamterlebnis. Und eines ist fix: Ich will auch 2020 wieder neue Gebiete besuchen und die langen Schlittelwege auf Klewenalp, Fiescheralp, Rigi, Belalp, Rosswald, Niederhorn, Kandersteg, Adelboden kennenlernen. Und, und, und…

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