Rolf Majcen im Interview zum Treppenlaufen
05.03.12
W: Rolf, unser letztes Interview über Treppenlaufen war am 30.12.2010, also vor mehr als einem Jahr. 2011 hattest Du ja eine unglaublich tolle Saison und heuer im Jänner 2012 konntest Du in Dallas Deinen 10. Treppenlauf-Sieg feiern. Du hast in unserem Gespräch vom Dezember 2010 gesagt, dass für 2011 noch ein paar Rennen auf Deiner Wunschliste stehen würden und abzuwarten bliebe, wie viele sich davon realisieren ließen. Wurden alle Deine Wünsche erfüllt?
R: Ja, 2011 war großartig, fantastisch, unglaublich! Alle Wünsche wurden erfüllt, mehr noch, vieles, an das ich im Dezember 2010 nicht einmal gedacht habe, ist im Laufe des Jahres 2011 als Idee entstanden, die mich in der Folge fasziniert hat und sich zu einem Ziel entwickelt hat. Meine 3. Teilnahme am Empire State Building Lauf in New York im Februar 2011 war nie geplant. Ich war bei diesem bekanntesten Treppenlauf der Welt schon im Jahr 2000 Achter und 2001 Neunter, also 2 Mal unter den Top Ten und mit diesen Erfolgen war ich sehr zufrieden. Eine dritte Teilnahme hielt ich für ausgeschlossen. Der Zufall wollte es, dass ich 2011 wieder am Start stand.
W: Warum?
R: Einer jener Wettkämpfe, die auf meiner Wunschliste ganz oben standen, war der Lauf auf das Bayoke Sky Hotel in Bangkok, höchstes Gebäude von Thailand. Der Lauf war jedoch für die Semesterferien 2011 vorgesehen und da wollte ich jedenfalls mit den Kindern (8, 6 Jahre) in die Dolomiten Skifahren gehen. Also war meine Teilnahme in Thailand eigentlich definitiv ausgeschlossen. Nach dem 5. Platz beim Lauf auf den Azrieli Tower in Tel Aviv im November 2010 hätte ich aber gerne noch 3 Monate später ein Rennen bestritten, weil ich einfach noch gut in Form war. So forschte ich nach einer interessanten Alternative zum thailändischen Bewerb und stieß auf den Treppenlauf im Aon-Centre in Chicago, der Ende Jänner 2011, also unmittelbar vor den Semesterferien, stattfinden sollte. Dieser zählt zu den längsten Treppenläufen der Welt in einem der höchsten Gebäude von Amerika. Ich war zwar schon zweimal in Chicago (Sears Tower [8 Monate danach umbenannt in Willis Tower], John Hanckock-Centre) aber das Aon-Centre reizte mich wegen seiner Höhe und Chicago ist eine tolle Stadt. Zufälligerweise war der Termin für den Lauf auf das Empire State Building zwei Tage später. So entstand plötzlich die Idee, Chicago mit New York zu kombinieren, den Schwerpunkt auf Chicago zu setzen und New York einfach mitzunehmen. Über Continental Airlines fand ich einen Gabelflug von Wien über Chicago nach New York und von dort zurück nach Wien um 485 Euro, der es mir ermöglichen würde nur 2 Tage nach dem Treppenlauf in Chicago auch den Empire State Building Lauf „mitzumachen". Das gefiel mir! Top in Form wurde ich dann in Chicago Dritter und beim Empire State Building Lauf Sechster!
W: Da hast Du wirklich eine mehr als würdige Alternative zu dem Event in Thailand gefunden!
R: Ja, und stell Dir vor, der Zufall brachte es mit sich, dass ich auch an dem Bewerb in Thailand teilnehmen konnte!
W: Hast Du Deinen Skiurlaub in den Dolomiten vorzeitig abgebrochen?
R: Nein! Das hätte ich niemals gemacht! Ich liebe die Dolomiten und dort mit den Kindern Skifahren bedeutet mir extrem viel! Ich denke da nur an die Abfahrt über die „Bellunese" von der Marmolada nach Malga Ciapela, die ist 12 km lang und führt über 1800 Höhenmeter, das ist eine der schönsten Skiabfahrten der ganzen Alpen! Ich habe einen fantastischen Skiurlaub gehabt, flog gemeinsam mit den Kindern im Hubschrauber vom Grödnerjoch auf die Marmolada, von dort ging es mit den Skiern ins Tal. Wieder zurück in Österreich habe ich erfahren, dass der Treppenlauf in Thailand abgesagt und um 4 Wochen verschoben worden war!
W: Unglaublich! Hättest Du Bangkok für den Februar-Bewerb gebucht, hättest Du nicht in die Dolomiten fahren können und noch dazu wegen der Absage des Wettkampfes hohe Storno-Gebühren für den Flug gehabt. Und durch die Verschiebung konntest Du nun doch teilnehmen!
R: Ja, da war alles Glück auf meiner Seite! So bin ich dann im März über ein Wochenende kurzfristig nach Bangkok geflogen, kam mit der Zeitverschiebung und mit dem Temperaturunterschied ganz gut zurecht. Unmittelbar vor dem Wettkampf hatte ich dann eine Schrecksekunde, denn der Lauf führte nicht so wie ich gedacht hatte vom Start weg bis ins Ziel über Treppen, sondern wir mussten zuerst im angrenzenden Parkhaus mehrere Stockwerke über die Fahrbahn laufen um erst dann in das Treppenhaus zu gelangen. Als schnellster Läufer über den Treppenteil kam ich letztendlich doch noch auf das Podium und wurde Dritter.
W: Das war ein erfolgreicher Wochenend-Trip! Du hast wohl keine Probleme mit der Zeitverschiebung?
R: Oja! Aber ich versuche mich so gut es geht mental darauf einzustellen. Nur eine Woche nach dem Wettkampf in Thailand startete ich in Las Vegas!
W: Also auf der anderen Seite dieser Erde! Da fliegt man von Wien aus ja auch weit mehr als 10 Stunden! In welchem Gebäude bist Du dort gelaufen?
R: Im Stratosphere-Tower, das ist der höchste freistehende Turm von Amerika. Das war ein super Wochenende mit Platz drei im Wettkampf und einem Heli-Flug in den Grand Canyon am Tag vor dem Wettlauf. Las Vegas einmal zu erleben ist großartig, das ist wirklich eine ganz besondere Metropole.
W: Da hattest Du ja einen großartigen Start in die Wettkampf-Saison 2011! Wie ging es weiter?
R: Ich gewann im April einen kleinen Treppenlauf in Wien und war in der Folge zweimal in Deutschland, in Frankfurt und Berlin und bin auch zu einem Lauf nach Warschau geflogen. Im Juni flog ich ganz spontan nach Sarajevo und wurde beim Lauf im Avaz Tower, dem höchsten Gebäude auf dem Balkan, Zweiter.
W: Warschau und Sarajevo sind doch irgendwie exotische Ziele, oder?
R: Für mich schon, aber es waren tolle Erlebnisse in Ländern, in denen ich zuvor noch nicht wettkampfmäßig unterwegs war. Von Sarajevo war ich sehr beeindruckt, ringsum sind Berge, das hätte ich nicht erwartet.
W: Du bist 2011 oft im Flugzeug gesessen!
R: Ja, ich war mehrmals in Amerika und Asien, aber auch in Europa sind manche Ziele einfach zu weit entfernt, um sie mit dem Auto zu erreichen. Ich will nicht zu viele Urlaubstage für den Sport verbrauchen, weil ich auch mit der Familie auf Urlaub fahren will und sehr gerne in den Bergen bin. Da zählt jeder Tag! Ich hatte nach dem Abstecher nach Sarajevo einen wunderschönen Urlaub im Juli, wieder in den Dolomiten. Einer der Höhepunkte war die Übernachtung am Schlernhaus, am Gipfel des Schlern, Wahrzeichen von Südtirol, mit den Kindern. Wir haben Murmeltiere und Edelweiß gesehen, einen herrlichen Sonnenuntergang und einen traumhaften Sonnenaufgang. Geflogen bin ich dann wieder im November, zuerst nach Ho Chi Minh City in Vietnam und eine Woche später nach Chicago zum höchsten Indoor-Treppenlauf auf den Willis Tower. Mit Platz 5 bzw. Platz 6 im Reisegepäck beim Rückflug nach Österreich! Von Chicago bin ich über New York nach Wien zurückgeflogen, in New York habe ich mir einen Hubschrauber-Rundflug über Manhatten gegönnt um das Empire State Building aus der Luft zu betrachten. Das war großartig!
W: Vietnam und gleich danach USA, das klingt toll! Hast Du im Herbst noch andere Treppenläufe bestritten?
R: Ja, im September und Oktober gab es Treppenläufe in Prag, Augsburg Wien und München und mit drei Podiumplätzen habe ich dabei das Maximum für mich erreicht. Insgesamt habe ich im Jahr 2011 ganze 19 Treppenläufe bestritten.
W: Das ist rekordverdächtig! Was ist eigentlich für Dich der Reiz am Treppenlaufen?
R: Ich habe meinen Laufstil perfektioniert. Es ist ein tolles Gefühl, wenn Du merkst, welche enorme Körperspannung man bei dieser Fortbewegung aufbauen kann, wenn Du intensiv fühlst, dass Du Deinen eigenen Körper kraftvoll und dynamisch über Stufen bergauf bewegen kannst. Für einige Momente lebt man auf einer höheren Ebene der Existenz, auf einer viel wilderen, stärkeren, leuchtenderen als sonst. Die Beine, die Arme, die Finger, der Geist, alles ist gleichzeitig in Aktion. Gesucht wird die kürzeste Linie durch das Treppenhaus. Die Hände fassen abwechselnd rechts und links im Sekundenabstand nach dem Geländer. Die Arme kreisen, die Schultermuskulatur trägt viel dazu bei. Die Finger greifen so, dass die Hand gerade noch Halt findet und die Armmuskulatur setzt blitzschnell danach ein, um den Körper kräftig nach oben zu bewegen, das alles parallel zur Beinarbeit. Alle Vorgänge laufen automatisiert ab. Die Augen müssen nur Richtungsänderungen zu erfassen, dazwischen reicht Controlling. Die Lunge arbeitet auf Hochtouren, das Gesicht ist verzerrt, der Mund geöffnet um abwechselnd Luft ansaugen und ausstoßen zu können. Der ganze Bewegungsablauf wird von der zunehmenden körperlichen Erschöpfung beeinflusst, entwickelt sich zum Kampf dagegen, doch es ist gerade diese ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Schmerz, die den besonderen Reiz am Treppenlaufen ausmacht. Sie entwickelt sich mit zunehmender Dauer zur dramatischen Schlacht, die es zu gewinnen gilt.
W: Wie kann man diese Schlacht gewinnen?
R: Wenn man bis zur Ziellinie trotz der Schmerzen auf Angriff eingestellt ist. Die Ziellinie bricht den Kampf ab. Sportwettkampf ist intensives Leben im Augenblick, ohne Gedanken an die Zukunft. Mentale Stärke spielt beim Wettkampf-Treppenlaufen eine große Rolle.
Es sind die Begeisterung und die Leidenschaft für das Abenteuer, mit denen unendlich viel positive Energie verbunden sein kann. Für mich ist das Treppenlaufen auch ein Ausgleich zu den anderen Sportarten, die ich in der Vergangenheit betrieben habe. Diese fanden in großartiger Naturlandschaft statt, in den Bergen, fernab jeder Zivilisation. Beim Treppenlaufen finde ich die ideale Ergänzung, weil sie in den größten Metropolen dieser Welt stattfinden und auch die Aussicht von einem Wolkenkratzer über eine Stadt einen ganz besonderen Reiz bietet.
W: Du hast Anfang März 2012 den Wettlauf in London auf das The Gherkin gewonnen und damit im 64. Treppenlauf Deinen 11. Sieg gefeiert. Mit 45 Jahren. Welche Ziele hast Du für 2012?
R: Mit den Siegen in Dallas und London habe ich alles erreicht, was ich im Treppenlaufen noch erreichen wollte. Ich bin sehr zufrieden, dass ich bis dato von schweren Sportverletzungen und gesundheitlichen Problemen verschont geblieben bin. Eine Hand voll Rennen gäbe es zwar noch, bei denen es schön wäre, dabei zu sein, aber ich lasse mir alles offen. An erster Stelle stehen Beruf und Familie, wenn dann noch Zeit für Training und Wettkämpfe bleibt, freue ich mich, wenn nicht, kann ich auf wunderschöne Jahrzehnte Wettkampfsport zurückblicken. Die Kinder sind jetzt 9 und 7 ½, das beste Alter, um gemeinsam mit ihnen viel Zeit in der Natur, in den Bergen zu verbringen. Das bedeutet mir extrem viel!
W: Rolf, vielen Dank für das Interview. Ich wünsche Dir, dass Du noch an dem einen oder anderen Treppenlauf-Event teilnehmen kannst und für die Zukunft alles Gute! Vielen Dank für das Interview!
R: Gerne!
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